Prüfungsschema zur formellen (Zuständigkeit, Verfahren, Form) und materiellen Rechtmäßigkeit (Tatbestandsvoraussetzungen, Rechtsfolge) eines Verwaltungsaktes.
Eine vorgelagerte Frage ist es, ob es sich überhaupt um einen Verwaltungsakt (oder etwa einen Realakt) handelt. Siehe hierzu ausführlich das Schema zu den Merkmalen eines Verwaltungsaktes.
Erforderlich ist die Nennung der konkreten gesetzlichen Rechtsgrundlage zum Erlass des VAs. Neben formellen (Parlaments-)Gesetzen kommen auch Rechtsverordnungen oder Satzungen in Betracht.
Grund / Herleitung: Gesetzesvorbehalt / „Kein Handeln ohne Gesetz“; abgeleitet aus dem Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 III GG.
Bei im Sachverhalt aufgeworfenen Problemen bezüglich der (formellen / materiellen) Rechtmäßigkeit der Rechtsgrundlage wären diese hier zu prüfen (Inzidentprüfung).
Hier (soweit im Klausurfall problematisch) Prüfung der allg. Verfahrensvorschriften (§§ 9 – 34 VwVfG) sowie der Folgen von Verfahrensfehlern (§§ 44 – 46 VwVfG) und ggf. spezialgesetzlicher Vorgaben.
Häufig abgeprüft werden:
Gefahr im Verzug = Durch die vorherige Anhörung würde auch bei Gewährung kürzester Anhörungsfristen ein Zeitverlust eintreten, der mit
hoher Wahrscheinlichkeit zur Folge hätte, dass der Zweck der zu treffenden Regelung nicht erreicht wird.
Nach h.M. regelt § 46 VwVfG nicht die Frage der Rechtmäßigkeit eines VAs, sondern schließt lediglich den Anspruch auf dessen Aufhebung aus.
(pro) Wortlaut
Daher empfiehlt es sich, den Punkt i.R.d. Anfechtungsklage nicht unter der formellen Rechtmäßigkeit, sondern unter der subjektiven Rechtsverletzung des Klägers am Ende der Begründetheit zu prüfen.
Folge:
VA bleibt wirksam bis z.B. Rücknahme nach § 48 VwVfG (Umkehrschluss aus § 43 III VwVfG).
Ausnahme: Nichtigkeit
Unwirksamkeit (§ 43 III VwVfG) nur in den Ausnahmefällen des § 44 II Nr. 1-3 VwVfG.
Zudem:
Unbeachtlichkeit (§ 46 VwVfG)
Keine Beachtung des Fehlers, wenn er die Entscheidung in der Sache offensichtlich nicht beeinflusst hat (§ 46 VwVfG); Rechtsfolge: VA bleibt rechtswidrig, wird aber auch i.R.d. Anfechtungsklage nicht durch das Gericht aufgehoben.
Grundsatz: Volle gerichtliche Kontrolle der Definition und Subsumption der Tatbestandsmerkmale (Art. 19 IV GG). Dies gilt auch bei unbestimmten Rechtsbegriffen, z.B. ‚erforderliche Zuverlässigkeit‘, § 4 I Nr. 1 GastG.
Gebundene Entscheidung
Verwaltung muss die vorgegebene Rechtsfolge anordnen / herbeiführen.
Wortlaut z.B.: „ist“ / „hat“ / „muss“
Ermessensentscheidung
Verwaltung hat Ermessensspielraum. Gericht überprüft nicht die Zweckmäßigkeit der behördlichen Entscheidung. Kontrolle beschränkt sich auf das Vorliegen von Ermessensfehlern (§ 114 S. 1 VwGO; vgl. auch § 40 VwVfG).
Herleitung: Gewaltenteilung (Art. 20 III GG) und Erkenntnisvorsprung der Behörde.
Wortlaut z.B.: „kann" / „ist befugt" / „darf“
Ermessensentscheidungen sind rechtswidrig bei:
Ermessensnichtgebrauch / Ermessensausfall
Behörde macht von dem gesetzlich zustehenden Ermessen keinen Gebrauch und denkt, sie muss auf eine Art entscheiden.
Ausnahmen: Ermessensreduzierung auf Null; insb. bei drohenden erheblichen Eingriffen in Art. 2 I GG (z.B. Schuss auf Hund, der ein Kind angreift).
Ermessensfehlgebrauch
Behörde stützt Entscheidung auf sachfremde Erwägungen. Unterfälle:
Ermessensdefizit
Nicht alle Aspekte ermittelt oder einbezogen
Ermessensmissbrauch
Irrelevante Aspekte einbezogen
Ermessensdisproportionalität
Aspekte erheblich falsch gewichtet; logische Fehler oder sachfremde Abweichung von vorheriger Verwaltungspraxis (Selbstbindung der Verwaltung, Rechtssicherheit, Gleichbehandlungsgrundsatz)
Ermessensüberschreitung
Behörde wählt eine nicht von der Rechtsgrundlage gedeckte Rechtsfolge.
Verstoß gegen höherrangiges Recht
Verstoß gegen Grundrechte, u.a. den Gleichbehandlungsgrundsatz, Art. 3 I GG
Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz