Allgemeines Prüfungsschema für Freiheitsgrundrechte (z.B. Handlungsfreiheit, Versammlungsfreiheit u. dergl.) als Abwehrrechte der Bürger gegen den Staat.
Der persönliche Schutzbereich hängt davon ab, ob es sich um ein ‚Jedermanngrundrecht‘ (auch ‚Menschenrecht‘) oder ein ‚Deutschengrundrecht‘ (auch ‚Bürgerrecht‘) handelt:
Jedermanngrundrechte
Sofern nicht im Wortlaut anders bestimmt, gelten Grundrechte grundsätzlich für alle natürlichen Personen.
Deutsche
Deutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist, vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung, insb. wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt (Art. 116 I GG).
Ausländer
Ausländische Staatsbürger können sich nicht auf Deutschengrundrechte berufen; hier kommt ein Rückgriff auf die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG) als ‚Auffanggrundrecht‘ in Betracht, das unter Umständen nicht dasselbe Schutzniveau bietet.
EU-Bürger
Ob sich EU-Bürger auf Deutschengrundrechte berufen können ist umstritten (s. Problembox).
Können sich EU-Ausländer auf die Deutschengrundrechte berufen?
e.A.: (+) Ja
(pro) Systematik: Art. 18 I AEUV verbietet innerhalb der Europäischen Union die Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit.
h.Lit.: (-) Nein, aber Art. 2 I GG fungiert in angereicherter Form als Auffanggrundrecht
Anwendung der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG) als Auffanggrundrecht aber unter Übernahme der Spezifika des sonst einschlägigen Grundrechts (z.B. besondere Schranken-Schranken wie etwa Drei-Stufen-Theorie der Berufsfreiheit) mit also im Ergebnis gleichem Schutzniveau.
(pro) Wortlaut: Deutschengrundrechte gelten dem Wortlaut nach nur für Deutsche i.S.d. Art. 116 I GG; Systematik: Auch so im Ergebnis, ob des gleichen Schutzniveaus keine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit i.S.d. Art. 18 I AEUV.
Siehe hierzu ausführlich die Übersicht: Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen bei Art. 19 III GG.
Je nach Grundrecht unterschiedliche Schutzgüter (z.B. Leben, Art. 2 II 1 GG; Eigentum, Art. 14 I GG) oder Tätigkeiten (z.B. Äußern und Verbreiten der eigenen Meinung, Art. 5 I GG).
Zuerst sollte das Vorliegen eines ‚klassischen Eingriffs‘ geprüft werden; nur wenn ein Merkmal nicht erfüllt ist, sollte auf den ‚modernen Eingriffsbegriff‘ eingegangen werden.
Eingriff = Jedes staatliche Handeln, das zur Beeinträchtigung des Schutzbereichs führt und zusätzlich nach dem...
Beispiel: Das Gesundheitsministerium warnt auf seiner Homepage vor dem mit Glykol versetzten Wein des Herstellers X, der infolgedessen Umsatzeinbrüche erleidet und bankrott geht. Unter anderem mangels Unmittelbarkeit (mittelbare Kundenentscheidung nicht mehr zu kaufen) und Rechtsförmigkeit liegt kein klassischer Eingriff vor. Es handelt sich jedoch um ein funktionales Äquivalent, da besondere Intensität (Weinhersteller geht Bankrott) und Finalität (es wird gerade vor einem bestimmten Weinhersteller gewarnt) vorliegen.
Beachte, dass manche Grundrechte Besonderheiten in der Eingriffsdogmatik aufweisen. Art. 12 I GG erfordert z.B. zusätzlich eine „berufsregelnde Tendenz" und Art. 14 I GG eine „eigentumsrelevante Maßnahme".
Bis auf die Menschenwürde aus Art. 1 I GG („unantastbar") sind alle Grundrechte einschränkbar (auch wenn sich dies aus dem Wortlaut nicht unmittelbar ergibt).
Enthält das Grundrecht selbst einen einfachen Gesetzesvorbehalt (Formulierungen z.B. „durch Gesetz" oder „auf Grund eines Gesetzes"), ist ein formelles Gesetz für die Einschränkung erforderlich (Verordnungen oder Satzungen sind also nicht ausreichend).
Beispiele sind:
Enthält das Grundrecht selbst einen qualifizierten Gesetzesvorbehalt, ist ebenfalls ein formelles Gesetz erforderlich, das jedoch den zusätzlichen im Grundrecht genannten materiellen Voraussetzungen genügen muss.
Beispiele sind:
Das Grundrecht enthält bereits selbst (verfassungsunmittelbar) die Eingriffsgrundlage. Nach h.M. braucht es daher keine gesetzliche Grundlage mehr (a.A.: formelles Gesetz wg. allgemeinem Gesetzesvorbehalt). Beispiele sind:
Auch wenn das Grundrecht keine expliziten (geschriebenen) Einschränkungsmöglichkeiten vorsieht, ist eine solche nach allen gängigen Theorien möglich.
Sind Grundrechte ohne geschriebene Einschränkungsmöglichkeiten doch einschränkbar?
e.A.: (+) Ja, nach der Theorie der Schrankenübertragung / Schrankenleihe von anderen Grundrechten
(con) Wortlaut / Systematik / Historie: Bewusst differenzierte Ausgestaltung der Grundrechte spricht dagegen, die Schranken aus fremden Grundrechten zu übertragen.
a.A.: (+) Ja, aufgrund einer 'Gemeinwohlklausel'
(pro) Systematik: Gesetzlicher Anknüpfungspunkt ist Art. 20 GG als 'Gemeinwohlklausel', denn Grundrechte dienen aufgrund ihrer sozialen Dimension nie nur individuellen Interessen.
Wenn man schon Einschränkungsmöglichkeiten für Grundrechte annimmt, in denen das Grundgesetz dies nicht geschrieben vorsieht, sind dafür (nach allen Ansichten) mindestens die Voraussetzungen der geschriebenen einfachen Gesetzesvorbehalte erforderlich. Es bedarf also auch hier zumindest eines formellen Gesetzes.
Siehe ausführlich hierzu das Schema Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes / Gesetzgebungsverfahren (insb. Art. 70 ff. GG).
Zweck
Warn- und Besinnungsfunktion für den Gesetzgeber = Anhalten des Gesetzgebers, Notwendigkeit und Ausmaß von Grundrechtseingriffen in öffentlicher Debatte zu klären
Anwendungsbereich
Wird durch BVerfG (Lit. teilw. a.A.) restriktiv ausgelegt, um nicht zur bloßen Formsachen zu verkommen (Gesetzgeber würde jedes Mal schreiben: „Art. 1 - 16 GG werden eingeschränkt") und gilt nicht für im Grundrecht selbst vorgesehene Regelungsaufträge, Inhaltsbestimmungen oder Schrankenziehungen (Allg. Handlungsfreiheit, APR, Meinungsfreiheit, Berufsfreiheit, Inhaltsbestimmungen des Eigentums).
Inhalt
Gesetz muss die Grundrechte, in die eingegriffen wird, benennen (zitieren).
Aufbauhinweis: Das Zitiergebot wird teilweise auch unter dem Punkt „formelle Verfassungsmäßigkeit" geprüft.
Zweck
Gewaltenteilung (Art. 20 II GG) behält der Verwaltung Regelung von Einzelfällen vor; Verhinderung einseitiger Grundrechtsprivilegierungen bzw. Diskriminierungen.
Zweck
Schutz vor einem zur vollständigen Entleerung und praktischen Auslöschung des Grundrechts führenden Eingriff des Gesetzgebers.
Inhalt
Verhaltensweisen oder sonstige Bestandteile, die wesentlich für die Verwirklichung des Grundrechts sind, dürfen nicht verboten bzw. entzogen werden. Wesensgehalt muss nicht nur für jedes Grundrecht, sondern sogar für jeden Fall einzeln bestimmt werden (Theorie vom relativen Wesensgehalt; str.).
Zweck
Rechtssicherheit; Vorhersehbarkeit; keine übermäßige Übertragung von Aufgaben der Gesetzeskonkretisierung an die Exekutive.
Inhalt
Gesetzgeber muss Vorschriften so klar fassen, dass die Rechtslage für den Betroffenen erkennbar ist und er sein Verhalten daran ausrichten kann.
Grds. jedes öffentliche Interesse, das verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen ist.
Das Ziel kann grundsätzlich durch das Mittel erreicht werden.
Es existiert kein milderes, gleich geeignetes Mittel zur Erreichung des Ziels.
Abwägung zwischen dem Rechtsgut, zu dessen Schutz der Eingriff erfolgt (legitimer Zweck) und der Intensität des Eingriffs in das betroffene Rechtsgut.
Häufig bietet es sich an, die Abwägung wie folgt zu strukturieren:
Hier liegt in aller Regel der Schwerpunkt der Klausur. Dies sollte bei der Zeiteinteilung unbedingt berücksichtigt werden.
Beispiele: Verwaltungsakte, Verordnungen oder Urteile