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StGB  
Strafgesetzbuch

Strafrecht

Strafrecht AT

(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist,
1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann,
kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wobei an die Stelle ausschließlich angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren tritt. Für die Einordnung als Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist, werden nur Schärfungen für besonders schwere Fälle und keine Milderungen berücksichtigt. War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nr. 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. Anstelle einer Milderung kann das Gericht von Strafe absehen, wenn die Straftat ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist und der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat.
(2) Bei der Entscheidung nach Absatz 1 hat das Gericht insbesondere zu berücksichtigen:
1.
die Art und den Umfang der offenbarten Tatsachen und deren Bedeutung für die Aufklärung oder Verhinderung der Tat, den Zeitpunkt der Offenbarung, das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch den Täter und die Schwere der Tat, auf die sich seine Angaben beziehen, sowie
2.
das Verhältnis der in Nummer 1 genannten Umstände zur Schwere der Straftat und Schuld des Täters.
(3) Eine Milderung sowie das Absehen von Strafe nach Absatz 1 sind ausgeschlossen, wenn der Täter sein Wissen erst offenbart, nachdem die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 207 der Strafprozessordnung) gegen ihn beschlossen worden ist.
Quelle: BMJ
Import:
LexMea

Rechtfertigende (tatsächliche / mutmaßliche / hypothetische) Einwilligung

Prüfungsschema zum Rechtfertigungsgrund der Einwilligung, der mutmaßlichen Einwilligung und der hypothetischen Einwilligung sowie zu deren Grenzen (siehe § 228 StGB).

 

  1. Inhaltsverzeichnis
  2. Objektive Voraussetzungen
  3. Disponibilität des Rechtsguts
  4. Einwilligungserklärung
  5. Tatsächliche Einwilligung
  6. Mutmaßliche Einwilligung
  7. Hypothetische Einwilligung (str.)
  8. Keine Sittenwidrigkeit (§ 228 StGB)
  9. Subjektive Voraussetzungen
  10. Kenntnis der Einwilligung
  11. Handeln aufgrund der Einwilligung (str.)

 

Die Einwilligung wird grundsätzlich als Rechtfertigungsgrund auf der Ebene der Rechtswidrigkeit geprüft.

Gewisse Delikte können allerdings nur gegen den Willen des Opfers verwirklicht werden - insb. solche, die sich gegen die Willensfreiheit richten (z.B. §§ 239, 240, 253 StGB). Bei diesen Delikten ist ein Verzicht des Opfers auf den Schutz seiner Rechtsgüter als (tatbestandsausschließendes) Einverständnis bereits auf der Ebene des Tatbestandes zu prüfen.

 

  • Herleitung
    Allg. Rechtsgrundsatz ‚volenti non fit iniuria‘ (lat.: Dem Wollenden geschieht kein Unrecht).

 

Objektive Voraussetzungen

Disponibilität des Rechtsguts

Einwilligender ist alleiniger Träger des Rechtsgutes und somit alleine verfügungsbefugt. (Nur bei Individual- nicht bei Allgemeinrechtsgütern möglich.) Bei Leben § 216 StGB beachten.

 

Einwilligungserklärung

Tatsächliche Einwilligung

 

  • Zeitpunkt
    Eine tatsächliche Einwilligungserklärung muss vor der Tat abgegeben worden sein und im Zeitpunkt der Tat noch fortbestehen.

 

  • Form
    Die Einwilligungserklärung muss ausdrücklich oder konkludent (str.) nach außen kundgetan worden sein (sonst ggf. mutmaßliche oder hypothetische Einwilligung, s.u.).

 

  • Inhalt
    Die Einwilligungserklärung muss ein Einverstandensein mit dem Eingriff in das Rechtsgut enthalten.

 

  • Wirksamkeit
    Die einwilligende Person muss einwilligungsfähig sein und es dürfen keine Willensmängel vorliegen.

    • Einwilligungsfähigkeit 
      Fähigkeit, die Bedeutung und Tragweite der Einwilligung zu erkennen und sachgerecht zu beurteilen.

      • e.A.: Bestimmt sich stets nach der geistigen und sittlichen Reife, die Bedeutung und Tragweite des Rechtsgutverzichts zu erkennen und sachgerecht zu beurteilen.

      • a.A.: Bestimmt sich bei Vermögensdelikten nach der (zivilrechtlichen) Geschäftsfähigkeit.

    • Keine Willensmängel
      Die Einwilligung muss informiert (Kenntnis der Umstände und Folgen; bei falscher ärztlicher Aufklärung ggf. hypothetische Einwilligung, s.u.), ernstlich (keine Scherz- oder Scheinerklärung) und freiwillig (aus autonomen Motiven; insb. nicht durch Zwang / Drohung / Gewalt) abgegeben worden sein.

 

Mutmaßliche Einwilligung

  • Eine mutmaßliche Einwilligung kommt nur in Betracht, wenn eine tatsächliche Einwilligung aufgrund faktischer Umstände nicht oder nicht rechtzeitig einholbar war (Subsidiarität).
  • Der Eingriff muss im mutmaßlichen Interesse des Betroffenen erfolgen oder es dürfen zumindest keine gegenläufigen Interessen des Betroffenen erkennbar sein (rein subjektive ex-ante-Sicht aus Opferperspektive). Bei Selbstmordopfern kommt daher allenfalls Notstand (§ 34 StGB) in Betracht.

 

Hypothetische Einwilligung (str.)

Beispiel: Arzt A klärt Patienten P falsch auf, sodass die Einwilligung nicht hinreichend informiert abgegeben wurde. Der anschließende Heileingriff (Körperverletzung) verläuft ohne Komplikationen und zum umfassenden Wohle des P.

 

  • Anerkennung der hypothetischen Einwilligung

Stellt die hypothetische Einwilligung einen Rechtfertigungsgrund im Strafrecht dar?

War eine tatsächliche Einwilligung zwar möglich, sind bei der Aufklärung jedoch Fehler unterlaufen, sodass diese aufgrund von Willensmängeln nicht wirksam ist, wird eine hypothetische Einwilligung diskutiert.

  • Rspr.: (+) Hypothetische Einwilligung rechtfertigt Eingriff
    (pro) Systematik: Parallele zum Pflichtwidrigkeitszusammenhang (rechtmäßiges Alternativverhalten, str.), der die objektive Zurechnung entfallen lässt.

  • a.A.: (–) Hypothetische Einwilligung nicht anerkannt
    (pro) Selbstbestimmungsrecht des Patienten; Schwierigkeiten der Bestimmung eines hypothetischen Willens

 

  • Voraussetzungen der hypothetischen Einwilligung
    Bei Anerkennung der hypothetischen Anerkennung werden an diese i.d.R. die nachfolgenden Voraussetzungen gestellt:
    • Unwirksame tatsächliche Einwilligung aufgrund von Aufklärungsfehlern
    • Patient hätte bei hypothetischer wahrheitsgemäßer Aufklärung eingewilligt (Rspr.: in dubio pro Arzt)
    • Ausführung des Eingriffes lege artis (ohne Behandlungsfehler)

 

Keine Sittenwidrigkeit (§ 228 StGB)

Bei Körperverletzungsdelikten Grenze des § 228 StGB ‚guten Sitten‘

Beispiele: Sittenwidrige verabredete Schlägereien oder illegale Autorennen

 

 

Subjektive Voraussetzungen

Kenntnis der Einwilligung

Der Täter muss in Kenntnis der tatsächlichen Einwilligung handeln.

Bei mutmaßlicher Einwilligung: Gewissenhafte Prüfung der für den hypothetischen Willen maßgeblichen Umstände.

 

Handeln aufgrund der Einwilligung (str.)

 

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